Nach meinem Besuch einer Medical Dispensary sollten ein paar tiefere Einblicke in die Produktion von medizinischem Cannabis am Kap das zweite Highlight meiner Südafrika-Reise im Frühjahr 2024 werden. Vor den Toren der Kapmetropole hat die Firma Chronico ihren Sitz. Als einer der ersten Produzenten des Landes baut Chronico seit 2021 medizinisches Cannabis an. Unser Weg in die heiligen Hallen führt über die Obstfarm, auf der Chronicos Partner, die Familie van der Merwe, seit 1743 Obstanbau betreibt.
Nach erfolgreicher Passage der Sicherheitsschleuse werden wir vom gesamten Chronico-Team herzlich empfangen. Auf meine Frage, wieso man neben Obst und Gemüse seit 2021 denn auch medizinisches Cannabis anbaue, erklärt mir Chronico-Chef James:
„Ich bin selbst von medizinischem Cannabis überzeugt und glaube fest an dessen Vorteile. Vor etwas mehr als drei Jahren haben die Familie van der Merwe und ich uns kennengelernt, um danach den Anbau von medizinischem Cannabis als Zusatzmodul zum bestehenden, landwirtschaftlichen Betrieb aufzubauen. Die Farm hier baut eigentlich Zitrusfrüchte an, die wir Naches nennen. Bei Euch heißen die Mandarinen. Mit Terpenen kennen wir uns also aus.“
Genug geredet. Ich will jetzt selbst sehen, wie hier „Blueberry Haze“, „Slurricane“ oder „Black Cherry Punch“ gedeihen. James bittet seine Chefgärtner Josh und Saul, mit mir eine Runde durch die Anlage zu drehen. Saul stammt aus der Gegend und erklärt mir auf dem Weg in die Facility, dass in der Region ein ähnliches Klima wie in Kalifornien herrsche. Es ähnele dem mediterranen Klima und sei für Cannabis perfekt. Die trockene Luft, viel Sonne und ein fruchtbarer Boden machen die Kapregion ohnehin zu einer der fruchtbarsten Gegenden weltweit.
Zum Anbau von medizinischem Cannabis bedarf es einer soliden Grundlage, die James und Saul im Gewächshaus für Mutterpflanzen und deren Ableger schaffen. Hier erfahre ich auch, dass sowohl unter Kunstlicht als auch unter Sonnenlicht angebaut wird. Das Kunstlicht geht erst dann an, wenn die Sonne nicht mehr genug Licht liefert. Mutterpflanzen und Stecklinge werden jedoch zu 100 Prozent unter Kunstlicht angebaut. In der vegetativen Sektion von Chronico versuchen Seth und Saul, äußere Einflüsse so gering wie möglich zu halten und haben sich deshalb für Kunstlicht entschieden. Chronico verwendet noch kein Saatgut, sondern nutzt Ableger als Grundlage der eigenen Produktion.
„In Zukunft werden wir definitiv auch zertifizierte Samen nutzen, um unsere eigenen Sorten zu entwickeln. Wir werden Phenotypen selektieren und solche Sachen. Aber derzeit, ich nenne es mal in unserer Orientierungsphase, ist es viel einfacher und unkomplizierter, mit Ablegern zu arbeiten. Im Moment haben wir hier eine „Slurricane“ und die „Black Cherry Punch“ und ein paar „Blueberry Haze“. Wir lassen unsere Mutterpflanzen nicht zu alt werden. Hier wird alle paar Monate geräumt und wir fangen von vorne an. Zum besseren Wachstum und zur Schädlings- sowie Pilzprophylaxe nutzen wir eine Kombination aus nützlichen Pilz- und Bakterienkulturen sowie Nützlingen.“
Die Mutterpflanzen und Ableger der Chronico-Strains sind wirklich beeindruckend und bei Patienten und Patientinnen in Deutschland, Australien und Südafrika so begehrt, dass man mit der Produktion kaum hinterherkommt. Deshalb können mir Seth und Saul zum Zeitpunkt meines Besuchs leider keine blühenden Medizinal-Cannabispflanzen zeigen.
Die bekomme ich dafür 1400 Kilometer weiter nördlich beim nächsten Stopp in der Nähe von Johannesburg zu sehen. Hier treffe ich Marc, den Senior-Grower von Farmagrowers.
Vorm Betreten der Produktionsanlage muss ich pusten, damit sich das Drehkreuz öffnet. Mein Begleiter klärt mich auf: „Pusten ist in sensiblen Bereichen jedes südafrikanisches Betriebs Standard.“ Bevor ich mit bestätigten 0,0 Promille endlich zu den Pflanzen darf, versorgt mich Marc eben jenen sterilen Klamotten aus, die bei der Medizinal-Cannabis Produktion weltweit vorgeschrieben sind.
Frisch umgezogen treffen wir dann auf die ersten blühenden Hanfdamen. Das Team ist gerade dabei, Netze über den Köpfen der „Critical Kush“ zu spannen. Denn kurz vor der Ernte werden die Topbuds so schwer und voluminös, dass sie ohne die Netze ins Schwanken geraten oder schlimmstenfalls abknicken könnten. Ein anderer Teil des Teams ist dabei, die großen Blätter von den Stielen zu entfernen. Beim so genannten Ausgeizen werden in der Blütephase immer wieder Blätter und Triebe von der Pflanze entfernt, die nicht optimal mit Licht versorgt werden. So stellt man sicher, dass sich die verbleibenden Triebe optimal entwickeln. „Zudem fördert es die Luftzirkulation sowie ein gleichmäßiges Cannabinoidprofil“ erklärt mir der Senior-Grower der Farmagrower.
Wir befinden uns hier in einem Hybrid-Gewächshaus, wo sowohl Sonnen- als auch Kunstlicht verwendet wird. Unterschreitet das Sonnenlicht einen gewissen Wert, schalten sich automatisch LED-Lampen mit einer Leistung von 150 Watt/m² hinzu. So kommen beim Anbau der FarmaGrowers-Strains durchschnittlich 25 Prozent Kunstlicht zum Einsatz. Im Sommer ist es weniger, im Winter etwas mehr. Der Strom für die Gewächshäuser wird von einer Solaranlage auf dem Betriebsgelände erzeugt. Das sei, so Marc, nicht nur nachhaltig, sondern senke die Kosten immens. Marc erklärt mir auch, dass der Ertrag und die Qualität sehr stark von der Lichtmenge abhingen und sein Team deshalb eine möglichst hohe, tägliche Lichtmenge für die Pflanzen anstrebe: “Ganz einfach, Cannabis liebt Licht“, erfahre ich auf dem Weg in den nächsten Raum.
Dort angekommen, rieche ich das Terpenprofil der „Royal Gorilla“ sogar durch die obligatorische Schutzmaske. Jede Pflanze hat vier bis sechs Topbuds, die zu 100 Prozent mit Kunstlicht bestrahlt werden. Anders als im vorherigen Raum handelt es sich hier um ein reines Indoor-Gewächshaus. Die Pflanzen blühen seit sechs Wochen und sollen in gut zwei Wochen geerntet werden. Auch in diesem Raum hat das Team im unteren Bereich ordentlich ausgegeizt, damit sich die oberen Medizinalblüten gleichmäßiger entwickeln.
„Wenn die unteren Blüten nicht die gleiche Menge an Licht bekommen wie die oberen, entwickeln sie ein anderes Cannabinoidprofil. Um dieses Problem zu lösen, entfernen wir sie einfach. Wir nutzen die Pflanzenenergie lieber für die großen Topbuds,“ erklärt mein Gegenüber.
Unsere nächste Station ist der Kontrollraum. Hier werden alle Parameter, die während des Anbauprozesses wichtig sind, eingestellt, geändert und kontrolliert. Ein System steuert die gesamte aeroponische Hardware, also die Bewässerung und die Nährstoffmischung für alle Räume. Ein zweites System steuert Licht, Klima sowie die CO2-Zufuhr in den Gewächshäusern. Von hier aus kann man auch den Zustand jeder einzelnen Pflanze checken und eventuelle Mängel oder Probleme so sehr früh erkennen.
„Ich verbringe hier eine Menge Zeit“, erzählt Marc. Er ist der Guardian Grow Manager, mit dem wir von hier aus einen Blick auf den Blühraum werfen können. “Da werden alle sieben Reihen von Raum eins angezeigt: Der EC- und pH-Wert, die Wassertemperatur, der Wasserdruck, Raumumgebung. Dadurch können wir uns jede Reihe aussuchen, um zu sehen, was dort gerade passiert. Wir können auch noch einen Schritt weiter und in den Wachstumsplan für genau diese Reihe gehen. Wie du siehst, können mit dem Tool sämtliche Zyklen programmiert werden – Woche eins, Woche zwei, Woche drei und so weiter. Wer will, kann es noch weiter aufschlüsseln.“
Ich kann die Begeisterung für das High-Tech Setup meines Tour-Guides förmlich spüren und muss ihn ein wenig drängeln, mir die Pumpstation zu zeigen. Dort angekommen stehen wir vor einer riesigen Umkehrosmose-Anlage, die mit einem Hochdruck-Pumpensystem verbunden ist. Die Umkehrosmose-Anlage entsalzt und filtert das Wasser, damit die Pflanzen mit einer für sie optimalen Nährstoffkombination versorgt werden können. Von hier aus werden zwei Gewächshäuser und zwei Indoor-Hallen mit Wasser und Nährstoffen versorgt. Da Cannabis in seinen unterschiedlichen Entwicklungsstadien verschiedene Nährstoffe benötigt, muss jeder Pflanzraum mit einer individuellen Nährlösung versorgt werden. Das passiert mithilfe von Dosierpumpen und Messgeräten, die vom zuvor besuchten Kontrollraum aus gesteuert werden. Nach unserer kurzen Stippvisite in der Pumpstation bekomme ich zum ersten Mal das fast fertige Produkt zu Gesicht.
Im Trimraum werden die zuvor geernteten Pflanzen von großen Blättern und den Stielen getrennt. Zum Grobschnitt verwenden die Mitarbeiter:innen einen so genannten Trimmer, der dem Team einen Berg Arbeit abnimmt. Ich möchte von Marc wissen, wieso sein Team hier erst maschinell und danach per Hand trimmt.
„Es gibt immer ein paar Blätter, Stiele oder andere Anomalien, die die Maschine dran gelassen hat. Man kann den Trimmer so einstellen, dass er nicht so viel abnimmt und ähnlich wie von Hand trimmt, also weniger rabiat mit den Blüten umgeht. Mit dieser Starthilfe schaffen wir eine ganze Charge, einen ganzen Raum in etwa sechs Stunden.“
Nach dem maschinellen Trim werfen die Teammitglieder einen letzten Blick auf jede einzelne Blüte und arbeiten, falls notwendig, nach. So wird sichergestellt, dass weder Blätter noch andere, unerwünschte Anhaftungen ins Produkt gelangen. Danach werden Trimreste und das Produkt getrennt. Die immer noch potenten Reste werden mithilfe eines Filterbeutels an der Seite aufgefangen. Dann wird das notwendige Extraktions-Zertifikat bei den Behörden beantragt. Sobald das da ist, wird der Trim zur Extraktion an eine andere Firma verschickt.
Die frisch geernteten Medizinalblüten kommen nach dem Trimvorgang in den Trockenraum. Den möchte ich als krönenden Abschluss meiner Tour auf jeden Fall einmal sehen. Marc erklärt mir, dass ich ihn gerne ansehen darf – allerdings nur in leerem Zustand.
„Ich wünschte, ich hätte fertig getrocknete Blüten zum Zeigen. Aber derzeit ist die Nachfrage höher als die Produktion und deshalb hängen gerade keine Pflanzen da.“
Ich erfahre, dass die frischen Pflanzen ungefähr zwei Wochen bei 16 Grad Raumtemperatur und einer Luftfeuchtigkeit von 55 Prozent trocknen. Die langsame Trocknung bei niedrigen Temperaturen schont die Terpene. Nach dem Trocknen werden die Blüten im Lagerraum in Plastikfässern noch ein bis zwei Wochen gecured – also regelmäßig gelüftet und gewendet. Denn erst während des Curing-Prozesses entfaltet Cannabis das volle Spektrum seiner Terpene und somit den sortentypischen Geschmack und Geruch.
Bevor mein Rundgang zu Ende geht, möchte ich von meinem Gegenüber noch erfahren, wo man lernt, so gut wie er Cannabis anzubauen. Ist ja schließlich selbst in den Ländern, die medizinisches Cannabis produzieren, kein Lehrberuf.
„Ich würde mich einen Autodidakten nennen. Ich baue seit etwa 15 Jahren Cannabis an, die letzten vier im kommerziellen Maßstab. Ich habe mich schon immer für Cannabis interessiert. Es ist eine Pflanze, die sich auf so mannigfaltige Arten selbst ausdrückt. All die verschiedene Terpenprofile, die unterschiedlichen Phänotypen und Pflanzenstrukturen. Man kann behaupten, ich bin etwas besessen vom Cannabisanbau. Das treibt mich an, immer wieder und wieder neue Samen keimen zu lassen, nach neuen Sorten zu suchen und einfach das bestmögliche, medizinische Cannabis anzubauen.“
Marc hat mir heute eine wirklich beachtliche Anlage gezeigt. Sein Wissen und seine Fähigkeiten sind so beeindruckend, dass er mittlerweile ein gefragter Mann ist. Der Flieger, der ihn zum nächsten medizinischen Cannabis-Projekt auf die andere Seite des Globus bringt, geht in zwei Stunden. Ich verabschiede mich von Marc, wünsche ihm einen guten Flug und viel Erfolg bei seinen kommenden Cannabis-Großprojekten.
Ich habe mittlerweile Produktionsanlagen für medizinisches Cannabis auf drei Kontinenten besucht. Südafrikas Branche hat mich hinsichtlich der Professionalität und Qualität der Produkte sehr positiv überrascht. Hier treffen europäische Gründlichkeit und Standards beim Anbau auf die Experimentierfreudigkeit und Sortenvielfalt der kanadischen und der US-Westküste. Das Klima eignet sich zudem perfekt für den Anbau von Cannabis, Solarenergie gibt es im Überfluss und auch Behörden und Regierung sind bereit, den rechtlichen Rahmen im Sinne von Patienten und Patientinnen sowie Produzenten und Produzentinnen zu gestalten. Südafrika ist heute schon ein Hotspot auf der Weltkarte für medizinisches Cannabis.
Ein aktuell in der Medizinalcannabis-Welt heiß diskutiertes Thema sind sogenannte “Microseeds”. Sie sind ein unangenehmer Störfaktor, scheinen sich auch immer häufiger in medizinischen Cannabisblüten zu verstecken und sorgen somit für Gesprächsstoff innerhalb der Community. Das Feedback unserer Patienten und Patientinnen ist uns sehr wichtig, daher haben wir uns dem Thema ausführlich gewidmet. Im Folgenden beleuchten wir die unterschiedlichen Aspekte der Microseeds: Was sind Microseeds? Welche Ursachen können bestimmt werden? Und welche Risiken bergen sie eigentlich? Zum Schluss ordnet unser Sommelier Tim Dresemann das brisante Thema noch einmal ein. Seine Sicht als Experte mag vielleicht sogar überraschen.
Selbst bei der Definition, was Microseeds sind, gibt es bisher keine Einigkeit. Generell sind aber unter Microseeds sehr kleine Strukturen zu verstehen, die an unvollständig ausgebildete Samen erinnern. Häufig sind diese Minisamen jedoch deformiert und unterscheiden sich z.B. hinsichtlich der Form, Farbe aber auch anderer Attribute wie beispielsweise der Härte von “echten” Samen.
Abb. 1 Microseeds im Vergleich zu einem ausgereiften Samen (adaptiert nach u/brookie_oftheyr, 22.03.2020)
Um was es sich genau beim Phänomen der kleinen Samen (Microseeds) im medizinischen Cannabis handelt, ist bis heute noch nicht eindeutig geklärt. Zu den gängigsten Theorien gehören:
Um welche Strukturen es sich dabei genau handelt und ob es sich bei Microseeds eventuell auch – je nach Fall – um eine oder gar verschiedene der oben aufgeführten Strukturen handelt, ist aktuell ebenso unklar wie die Ursache der Entstehung. Aktuell werden zwei mögliche Ursachen diskutiert:
Schlussfolgerung zur Entstehung von Microseeds
Zusammengefasst sind Microseeds also allgemein kleine, samenähnliche Strukturen in den Cannabisblüten, die unabhängig von Kultivar oder Anbaubedingungen auftreten können. Derzeit gelten als wahrscheinlichste Ursache zuchtbedingte genetische Faktoren.
Neben einem schlechten Geschmack durch verbrannte Microseeds und einem unangenehmen kratzigen Charakter des Rauchs, manchmal auch in Verbindung mit Kopfschmerzen oder Übelkeit, wird vor allem in Foren oder Beiträgen im Internet immer wieder davon berichtet, dass das Inhalieren von Cannabisblüten mit Microseeds besonders gefährlich sei.
Es wird vermutet, dass dies an Pflanzenölen liegen könnte, die in den Samen enthalten sind. Durch die hohen Temperaturen beim Rauchen können Bestandteile dieser Öle in schädliche Verbindungen umgewandelt werden, die krebserregend sein können.6 Die zitierten Warnungen von beispielsweise einem “Hanfkoch” oder einem erfahrenen Cannabisarzt beziehen sich jedoch vor allem auf das übermäßige Erhitzen bei der Herstellung von Hanfbutter bzw. dem Inhalieren von Ölen wie z.B. Extrakten und werden daher in einen falschen Zusammenhang gebracht.6 Da hierbei jedoch ganz andere Mengen an Pflanzenölen (verwendet zur standardisierten Einstellung der Cannabisextrakte) inhaliert werden, ist eine direkte Übertragbarkeit des Risikos auf die Inhalation von Microseeds nicht gegeben. Zudem ist bisher unklar, welche Stoffe und welche Mengen dieser Stoffe die Microseeds tatsächlich enthalten. Wissenschaftliche Untersuchungen hierzu gibt es derzeit nicht.Ein weiterer Aspekt, der in Bezug auf Microseeds genannt wird, ist, dass sie Stoffe enthalten, die bei der Inhalation in Blausäure umgewandelt werden würden.7 Aber auch hierzu lassen sich keine Studien finden. Vermutlich wird hier die Tatsache, dass z.B. Leinsamen, kleinere und zudem unbedenkliche Mengen an Blausäure enthalten, auf andere Pflanzenöle wie beispielsweise Hanfsamenöl übertragen.8
Das Rauchen von Tabak und Cannabisblüten
Dennoch entstehen natürlich sowohl beim Rauchen von Tabak als auch beim Rauchen von Cannabisblüten viele potentiell schädliche Verbindungen, die bei einem langfristigen Konsum zu gesundheitlichen Schäden führen können.
Neben der Freisetzung von Cannabinoiden entstehen beim Rauchen von Cannabis auch unzählige pyrogene Verbindungen, darunter Karzinogene, Mutagene und Teratogene, die potenziell gesundheitsschädlich sind. Eine Studie von Graves et al. zufolge haben Tabakrauch und Cannabisrauch Verbindungen gemeinsam, von denen 69 toxisch sind.9,10 Laut einer Übersichtsarbeit über die Auswirkungen von inhalativen Suchtmitteln sind derzeit eindeutige Schlussfolgerungen für langfristige Folgen von Cannabiskonsum auf Lunge und Atemwege jedoch noch nicht möglich. Dies liegt vor allem daran, dass in den meisten Studien nicht zwischen den überlappenden Effekten des Tabak- und des Cannabiskonsums differenziert wurde.11 Die Karzinogene und respiratorischen Toxine in Cannabis- und Tabakrauch sind zwar ähnlich, dennoch scheinen sich die Folgen des Cannabisrauchens von denen des Tabakrauchens zu unterscheiden.12 So gilt die Entwicklung einer chronischen Bronchitis durch anhaltendes Rauchen von Cannabis mittlerweile zwar als fast gesichert, hinreichende Beweise, dass Cannabis COPD verursacht, fehlen aber. Auch allergische Reaktionen einschließlich Asthma sowie Assoziationen mit Lungenemphysem, Lungenkrebs und Pneumonien sind möglich, aber nicht eindeutig belegt.13Zudem wurde in einigen Kasuistiken über Pneumothoraces, Pneumomediastinum sowie grob bullöse Lungenerkrankungen im Zusammenhang mit inhalativen Cannabiskonsum berichtet, jedoch auch hier ist der Zusammenhang nicht eindeutig bewiesen.14
Das Vaporisieren von Cannabisblüten
Nicht zuletzt aus diesen Gründen setzt sich in den letzten Jahren die inhalative Anwendung mittels Vaporisation gegenüber dem Rauchen von Cannabisblüten weltweit immer mehr durch. Das Verdampfen mittels Vaporisatoren, die als Medizinprodukt zugelassen sind, gilt in Deutschland längst als die etablierte medizinische Anwendungsform, wenn eine inhalative Cannabistherapie angezeigt ist. Bei der Vaporisation mittels solcher Geräte wird das Medizinalcannabis auf 180 – 210 °C erhitzt. Flüchtige Inhaltsstoffe, zu denen auch Cannabinoide und Terpene gehören, werden bei diesen Temperaturen in Dampf überführt, ohne dass das Pflanzenmaterial verbrannt wird. Rauch entsteht bei dieser Anwendungsmethode nicht. Es wird angenommen, dass durch die niedrigeren Temperaturen und die verbrennungsfreie Erhitzung weniger gesundheitsschädliche Stoffe als beim Rauchen entstehen.15 Zum Vaporisieren von Medizinalcannabis, das Microseeds aufweist, gibt es jedoch wie auch zum Rauchen von Microseed-haltigen Cannabisblüten bisher noch keine Studien.
Schlussfolgerung zu möglichen Gesundheitsrisiken durch die Inhalation von Cannabisblüten mit Microseeds
Beim Rauchen von Cannabisblüten entstehen ähnlich wie beim Rauchen von Tabak verschiedene Verbindungen, die aufgrund ihrer kanzerogenen, mutagenen oder teratogenen Eigenschaften gesundheitsschädlich sind. Nach derzeitigem Kenntnisstand gibt es jedoch keine Hinweise darauf, dass die Inhalation – ob durch das Rauchen oder das Vaporisieren – von Cannabisblüten, die Microseeds enthalten, mit einem gesteigerten Risiko für gesundheitsschädliche Effekte einhergeht.
Microseeds sind im heutigen medizinischen Cannabismarkt ein unerwünschtes und weit verbreitetes Phänomen. Während die genaue Ursache noch umstritten ist (s.o.), lässt sich mittlerweile mit hoher Wahrscheinlichkeit sagen, dass es ein genetisch verankertes Problem ist; daraus folgt die Annahme, dass sowohl Ursache als auch Lösung vor allem in der Zucht zu suchen sind. Demnach ist (leider) auch ein Quick Fix nicht zu erwarten.
Selbst wenn es gelingen könnte, durch z.B. weniger Stress im Anbau, die Prävalenz von Microseeds etwas zu reduzieren – eine wirkliche Lösung wäre das nicht, das Problem würde vermutlich auch weiterhin immer wieder auftreten..Die Hersteller (also auch wir als avaay Medical) sind sich dessen bewusst und reden auch mit den Produzenten. Das Problem wird aber aufgrund der bereits genannten wahrscheinlichen Ursachen nicht leicht und auch nicht innerhalb weniger Chargen abzustellen sein. Meine Vermutung ist, dass es sich innerhalb des Life-Cycles eines bereits angemeldeten Produkts überhaupt nicht abstellen lässt, da einen Austausch der Genetik und somit auch einen neuen Anmeldungs- und Registrierungsprozess erforderlich machen würde.
Alles eine Sache der Perspektive?
Aber auch die Wahrnehmung ist hier ein wichtiger Faktor: Während man Nordamerikaner:innen (USA/Kanada) oft noch ausführlich beschreiben muss, wovon hier eigentlich die Rede ist, ist die deutsche Cannabis-Community mittlerweile voll auf das Thema eingestimmt. Dass dann wiederum auch mehr gefunden wird (weil mehr gesucht wird), ist zu erwarten (mehr dazu hier).
Selbst Nordamerikaner:innen, die darauf aufmerksam gemacht wurden, sehen das nicht zwingend als Problem: "As long as it's not scratchy.”
Auf der einen Seite wird sich nun (zu Recht) in der deutschen Community über mangelhafte züchterische Arbeit (bspw. Microseeds) beschwert – auf der anderen Seite gibt es einen weitgehend unreflektierten Wunsch danach, möglichst jede Woche einen "neuen" Strain auf dem Markt zu entdecken. Die Industrie versucht weiterhin diesem Wunsch nachzukommen – das kann allerdings nur zulasten der genetischen Stabilität funktionieren und lässt sich mit den Grundsätzen guter züchterischer Praxis schlichtweg nicht vereinbaren.
Dass der Einfluss auf die Konsumerqualität (also NICHT der pharmazeutischen Qualität) je nach Ausmaß erheblich negativ sein kann, sollte mittlerweile klar sein. Allerdings nehme ich mittlerweile auch viel Verständnis für das Thema wahr. Auch das Bewusstsein, dass so gut wie alle Produkte von ziemlich allen Herstellern zumindest teilweise betroffen sind, ist bei vielen schon vorhanden.
Uns als avaay liegt eine angenehme Konsumerfahrung von Medizinalcannabis am Herzen, wobei die Gesundheit unserer Patienten und Patientinnen natürlich im Fokus steht. Aus diesem Grund behalten wir auch weiterhin das Thema “Microseeds” im Blick und optimieren darüber hinaus kontinuierlich unser Portfolio und unsere Lieferkette.
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Lange bevor Terpene durch die moderne Wissenschaft entdeckt wurden, war ihre Anwendung in der Volksheilkunde weit verbreitet. Etwa viele im Ayurveda verwendete Heilpflanzen verdanken ihre therapeutische Wirkung ihrem Gehalt an Terpenen. Als Hauptbestandteil ätherischer Öle können die Kohlenstoff-Verbindungen nicht nur über den Geruch und Geschmack einer Pflanze, sondern auch über deren medizinische Eigenschaften entscheiden. Nachfolgend wollen wir uns einmal etwas genauer mit den Terpenen und ihrer potenziellen Wirkung auf den Menschen befassen.
Terpene sind flüchtige organische Substanzen, die in einer Vielzahl von Pflanzen vorkommen, einschließlich Cannabis. Sie sind verantwortlich für den charakteristischen Duft und Geschmack von Pflanzenölen, ätherischen Ölen und vielen anderen pflanzlichen Produkten. Terpene haben jedoch nicht nur ästhetische Qualitäten – sie können auch eine wichtige Rolle in der Pflanzenabwehr gegen Schädlinge und bei der Anziehung von Bestäubern spielen.
Daraus ergibt sich auch ihre besondere Bedeutung für das Ökosystem Wald: Sie werden von verschiedenen Baum- und Pflanzenarten produziert und dienen dazu, Schädlinge abzuwehren und Beziehungen zwischen Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen zu beeinflussen. Terpene wie Pinen tragen auch zur Bildung des charakteristischen Waldaromas bei und können zur Regulation der Luftfeuchtigkeit und des Mikroklimas beitragen. Einige Terpene dienen als Lockstoffe für Bestäuberinsekten, während andere Raubtiere anlocken, die Schädlinge bekämpfen. Terpene sind daher ein faszinierendes Beispiel für die komplexe Wechselwirkung zwischen Pflanzen und ihrer Umwelt im Wald.
Nach diesem kurzen Ausflug in die allgemeine Welt der Terpene wenden wir uns nun nachfolgend spezifisch den Cannabis-Terpenen zu.
Von den etwa 20.000 bekannten Terpenen der Pflanzenwelt gehören alleine rund 200 zur Gruppe der Cannabis-Terpene. Dank verbesserter Analysemöglichkeiten hat das Terpenprofil neben dem Cannabinoidprofil bei der Auswahl medizinischer Cannabisblüten in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Damit hat die Bewertung nach individuellen Chemovaren die überholte Einteilung in Sativa vs. Indica weitgehend abgelöst.
Viele Cannabispatient:innen erhoffen sich von ihrem Cannabis Strain aufgrund dessen Terpenprofils spezifische Wirkungen. Da Terpene weniger erforscht sind als Cannabinoide, mangelt es allerdings an Untersuchungen zu Terpen-Wirkungen auf den Menschen.
Erste vorsichtige Anhaltspunkte zu spezifischen Terpen-Wirkungen könnten Tier- und Laborstudien zu den Terpenen Beta-Caryophyllen, Limonen, Linalool und Pinen geben. In der nachfolgenden Übersicht werfen wir einen genaueren Blick auf diese vier Terpene und ihre eventuellen Wirkungen.
Das Terpen Beta-Caryophyllen findet sich nicht nur in Cannabis, sondern zum Beispiel auch in Zimt oder Basilikum. Es zeichnet sich durch seinen würzig-pfeffrigen Geruch aus und ist auch unter den Bezeichnungen b-Caryophyllen, β-Caryophyllen oder Caryophyllen bekannt. Besonders spannend: Das Terpen kann an den CB2-Rezeptor binden und damit parallel als Endocannabinoid wirken.
In einer Studie an Mäusen untersuchten Forschende der Universität Bonn die Terpen-Wirkung von Beta-Caryophyllen unter anderem bei neuropathischen Schmerzen. Sie beobachteten bei den Mäusen eine Abschwächung der Schmerzempfindlichkeit und konnten auch nach längerer Behandlung keine Anzeichen von Toleranz gegenüber dieser Cannabis-Terpen-Wirkung feststellen.
Die Wissenschaftler:innen kamen zum Schluss, dass insbesondere die regelmäßige orale Verabreichung des Terpens Beta-Caryophyllen bei lang anhaltenden, lähmenden Schmerzzuständen hochwirksam sein könnte.
Eine Untersuchung der United Arab Emirates University, die ebenfalls an Mäusen durchgeführt wurde, ließ unter anderem auf eine potenziell angstlindernde Wirkung des Cannabis-Terpens schließen. Entsprechende Studien zu dieser Wirkung auf den Menschen stehen ebenfalls aus.
Das Terpen Limonen ist Hauptbestandteil der ätherischen Öle von Zitrusfrüchten und verströmt entsprechend auch als Cannabis-Terpen ein Zitrusaroma. In den 2018 veröffentlichten Ergebnissen einer Laboruntersuchung verzeichneten Forschende durch d-Limonen eine Hemmung des Wachstums von Lungenkrebszellen.
Bereits 2013 waren die Ergebnisse einer offenen klinischen Pilotstudie publiziert worden, an welcher 43 Frauen teilgenommen hatten, bei denen kürzlich operabler Brustkrebs diagnostiziert worden war. Im Rahmen der Untersuchung nahmen sie zwei bis sechs Wochen vor der chirurgischen Entfernung des Tumors täglich zwei Gramm Limonen ein.
Tatsächlich führte die kurzzeitige Einnahme des Terpens Limonen im Tumorgewebe zu einem signifikanten Rückgang der Expression von Cyclin D1 – einem Protein, welches eine entscheidende Rolle beim Zellwachstum spielt. Allerdings konnten bei anderen wichtigen Biomarkern nur minimale Veränderungen festgestellt werden.
Die Forschenden betonten hier besonders die Notwendigkeit weiterer Studien, um einer potenziellen Cannabis-Terpen -Wirkung auf den Menschen auf den Grund gehen zu können und damit zu klären, ob das Terpen Limonen bei der Behandlung und Prävention von Brustkrebs infrage kommen könnte.
Das Terpen Linalool ist, abgesehen von seinem Vorkommen in Cannabis, zum Beispiel in Lavendel enthalten und findet wegen seines süßen, blumigen Dufts gerne in Kosmetika Verwendung. Allerdings kann Linalool bei Duftstoffallergiker:innen allergische Reaktionen hervorrufen.
2018 publizierten Forschende der japanischen Universität Kagoshima in „Frontiers in Behavioral Neuroscience“ Ergebnisse einer Untersuchung an Mäusen, nach denen die Terpen-Wirkung von Linalool angstlindernder Natur sein könnte. Gleichzeitig stellten sie bei den Tieren keine motorischen Beeinträchtigungen fest.
Da jene Mäuse, die über keinen intakten Geruchssinn verfügten, nicht von dem angstlösenden Effekt profitierten, kamen die Wissenschaftler:innen zum Schluss, dass der Geruch von Linalool ursächlich für diese Terpen-Wirkung verantwortlich sein muss.
Mit seinem holzigen, erdigen Geruch weckt Pinen Assoziationen an den Duft von Kiefern. Neben seinem Vorkommen in der Cannabispflanze lässt sich das Terpen Pinen in Ölen von Nadelbäumen genauso nachweisen wie in Eukalyptus- oder Orangenschalenöl. Pinen verleiht medizinischen Cannabisblüten ein frisches, klares Aroma, das von Cannabispatient:innen häufig als sehr angenehm empfunden wird.
Unterschieden wird bei diesem Cannabis-Terpen in Alpha-Pinen und Beta-Pinen, wobei Letzteres potenziell über antibakterielle Eigenschaften verfügt. So ergaben Labortests am teilweise antibiotikaresistenten Campylobacter jejuni, einem häufigen Erreger von Durchfallerkrankungen, dass Pinen dessen Antibiotika-Resistenz effektiv regulieren könnte. Aufgrund der vielversprechenden Ergebnisse gaben die beteiligten Wissenschaftler:innen eine Empfehlung für weitere Untersuchungen zu diesem Thema ab.
Bei der Auswahl geeigneter medizinischer Cannabisblüten rückt die Analyse deren individueller chemischer Profile für Cannabispatient:innen zunehmend in den Vordergrund. Während im Zuge dessen auch ein verstärkter Fokus auf die Rolle einzelner Terpene gelegt wird, lassen sich aufgrund fehlender Untersuchungen über die Terpen-Wirkungen auf den Menschen zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine zuverlässigen Aussagen treffen.
Labor- und Tierstudien deuten darauf hin, dass Cannabis-Terpene womöglich über beruhigende, antibakterielle und schmerzlindernde Eigenschaften verfügen und unter Umständen Tumorwachstum hemmen könnten. Es bleibt zu hoffen, dass weitergehende Forschungen diesen ersten Anhaltspunkten auf den Grund gehen.
Ob und inwiefern Terpene mit Cannabinoiden in Wechselwirkung treten und damit zu einem Entourage-Effekt beitragen, kann vom heutigen Stand der Forschung aus nicht abschließend beurteilt werden.
Terpene – was ist das?
Terpene sind eine Gruppe von flüchtigen organischen Verbindungen, die natürlicherweise in Pflanzen vorkommen. Sie sind für die Aromen und Düfte vieler Pflanzen verantwortlich und können verschiedene gesundheitsfördernde Eigenschaften haben.
Wo kommen Terpene vor?
Terpene kommen in einer Vielzahl von Pflanzen vor, darunter Blumen, Bäume, Kräuter und Früchte. Sie spielen eine wichtige Rolle in ätherischen Ölen, die aus Pflanzen gewonnen werden.
Was bewirken Terpene im Wald?
Im Wald dienen Terpene den Pflanzen als Abwehrmechanismus gegen Schädlinge und zur Kommunikation mit anderen Organismen. Sie beeinflussen das Waldaroma, locken Bestäuberinsekten an und tragen zur Vielfalt des Ökosystems bei.