Cannabis und Epilepsie: Der aktuelle Stand der Forschung
Könnte sich Cannabis zur Behandlung von Epilepsie eignen? Diese Frage wird in Fachkreisen viel diskutiert. Warum gerade eine alternative Therapieform wie die Cannabis-Therapie bei Epilepsie sinnvoll sein könnte, zeigt ein Blick auf die Statistik:
Laut der Deutschen Gesellschaft für Epileptologie leiden zwischen 0,5 und 1 % der Bevölkerung an Epilepsie. Das entspricht in Deutschland ca. 400.000 bis 800.000 Menschen. Davon sprechen etwa ein Drittel der Betroffenen nicht oder nicht in der gewünschten Art und Weise auf die herkömmlichen Antiepileptika an. Hinzu kommt, dass Nebenwirkungen auftreten könnten, weshalb Patient:innen nach alternativen Behandlungsmethoden suchen.
Bereits jetzt gibt es in bestimmten Fällen die Möglichkeit, Epilepsie mit CBD, einem Cannabinoid der Hanfpflanze, zu behandeln. In folgenden Fällen ist das CBD-Präparat Epidyolex® in Deutschland aktuell zugelassen:
- Seit 2019: Als Zusatztherapie für Kinder mit Lennox-Gastaut-Syndrom und Dravet-Syndrom
- Seit 2021: Zur Behandlung von Epilepsie in Zusammenhang mit Tuberösem Sklerosekomplex
Seit 2019 ist das CBD-Präparat Epidyolex® in Deutschland als Zusatztherapie für Kinder mit Lennox-Gastaut-Syndrom und Dravet-Syndrom zugelassen.
Ob Cannabis bei Epilepsie grundsätzlich helfen kann, haben bereits einige Wissenschaftler:innen untersucht. In folgendem Artikel erhältst Du einen Überblick über die aktuellen Studien.
Was ist Epilepsie und was sind die Ursachen?
Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, bei der es zu wiederkehrenden Krampfanfällen kommt. Auslöser solcher Epilepsie-Anfälle sind Nervenzellen im Gehirn, die plötzlich für kurze Zeit synchron und unkontrolliert Impulse abfeuern. Dabei handelt es sich um eine unwillkürliche Funktionsstörung, die verschiedene Ursachen haben kann.
Epilepsie kann angeboren oder auf strukturelle beziehungsweise stoffwechselbedingte Veränderungen zurückzuführen sein. Beispiele hierfür sind etwa Gehirntumore, Schädel-Hirn-Traumata oder Verletzungen des Gehirngewebes. Wenn keine Grunderkrankung vorliegt, können die Anfälle aber auch durch Drogen, Alkohol, Arzneimittel, Schlafentzug, Fieber oder psychische Faktoren ausgelöst werden.
CBD bei Epilepsie: Das sagen aktuelle Studien über die Wirksamkeit
Bei Cannabidiol, kurz CBD, handelt es sich vermutlich um einen der bekanntesten Inhaltsstoffe der Hanfpflanze. In der Medizin wird CBD bei bestimmten Formen der Epilepsie bereits eingesetzt. Eine entsprechende Wirksamkeit bescheinigt auch eine 2019 veröffentlichte Auswertung von Forschenden zum Thema CBD und Epilepsie.
Bei allen darin betrachteten Untersuchungen wurde CBD ergänzend zu den herkömmlichen Antiepileptika angewendet. In den Versuchsgruppen befanden sich vorwiegend Kinder und Jugendliche mit dem Lennox-Gastaut-Syndrom und dem Dravet-Syndrom. Dabei handelt es sich um zwei seltene und schwer behandelbare Epilepsieformen, die bereits im Kindesalter auftreten.
Nachdem die Forschenden die Studien ausgewertet hatten, kamen sie zu dem Schluss, dass es hinreichende Belege für eine potenzielle Wirksamkeit von CBD bei der Behandlung von Epilepsie im Kindesalter gibt. Über die Wirkung von CBD bei Erwachsenen Epilepsie-Patient:innen lässt sich aktuell noch nicht viel sagen, da entsprechende Untersuchungen sehr rar sind.
CBD kann Epilepsie-Anfälle bei Kindern und Jugendlichen reduzieren
Teil der Review von 2019 war unter anderem eine Studie aus dem Jahr 2017, die die Wirkung von Cannabidiol bei der Behandlung von arzneimittelresistenten Epilepsie-Anfällen beim Dravet-Syndrom untersuchte. In der doppelblinden, placebokontrollierten Studie wurden 120 Kinder und junge Erwachsene zusätzlich zu einer antiepileptischen Standardbehandlung entweder mit einer Cannabidiol-Lösung oder einem Placebo behandelt.
Die Untersuchung ergab, dass sich die durchschnittlichen Krampfanfälle pro Monat unter CBD von 12,4 auf 5,9 reduzierten, während unter dem Placebo nur ein Rückgang von 14,9 auf 14,1 verzeichnet wurde.
In der Cannabidiol-Gruppe verbesserte sich der Gesamtzustand bei 62 % der Patient:innen, während es in der Placebo-Gruppe 34 % waren. Die Häufigkeit aller Art von Anfällen konnte durch Cannabidiol signifikant reduziert werden, 5 % der Patient:innen in der CBD-Gruppe wurden sogar anfallsfrei.
Neben den positiven Effekten wurden allerdings auch einige Nebenwirkungen festgestellt. In der CBD-Gruppe traten im Vergleich zur Placebo-Gruppe die folgenden unerwünschten Effekte häufiger auf: Durchfall, Erbrechen, Müdigkeit, Fieber und abnorme Ergebnisse bei Leberfunktionstests.
Der Einsatz von CBD bei erwachsenen Epilepsie-Patient:innen
Eine der wenigen Untersuchungen, die sich mit dem Einsatz von CBD bei der Behandlung von Epilepsie bei Erwachsenen befasst, ist eine Studie des Johns-Hopkins-Instituts, die 2021 veröffentlicht wurde.
Im Vergleich zur Kontrollgruppe, die kein Cannabidiol zu sich nahm, berichteten die Proband:innen, die frei verkäufliches CBD einnahmen, von einer signifikant besseren Verträglichkeit ihrer herkömmlichen Epilepsiemedikamente. Außerdem hatten sie insgesamt einen geringeren Bedarf an verschreibungspflichtigen Medikamenten.
Um den potenziellen Effekt von CBD auf erwachsene Epilepsie-Patient:innen zu untersuchen, sind jedoch weitere Studien notwendig.
THC bei Epilepsie: So ist die aktuelle Studienlage
THC oder auch Tetrahydrocannabinol ist das wohl bekannteste Cannabinoid der Hanfpflanze und zugleich für deren psychoaktive Wirkung verantwortlich. Was die Wirkung von THC bei Epilepsie angeht, kommen die Studien allerdings zu widersprüchlichen Ergebnissen.
Während es Untersuchungen gibt, die THC einen krampflösenden Effekt zuschreiben, konnten andere Studien diese Wirkung nicht beobachten – oder kamen gar zu dem Schluss, dass THC Krampfanfälle begünstigen könnte. Aufgrund dieser widersprüchlichen Studienergebnisse und der psychoaktiven Wirkung können aktuell keine Empfehlungen zum Einsatz des Cannabinoids bei Epilepsie ausgesprochen werden.
Mögliche Neben- und Wechselwirkungen bei der Epilepsie-Behandlung mit CBD
Eine CBD-Epilepsie-Studie aus dem Jahr 2015 untersuchte, ob die Einnahme von CBD zusätzlich zu einer bestehenden Antiepileptika-Therapie bei behandlungsresistenter Epilepsie sicher, verträglich und wirksam ist. Als Begleiterscheinungen der Behandlung traten Somnolenz (Benommenheit) (25 %), verminderter Appetit (19 %), Durchfall (19 %), Müdigkeit (13 %) und Krampfanfälle (11 %) auf. Bei dieser Studie brachen zudem 3 % der Patient:innen die Behandlung aufgrund einer Nebenwirkung ab.
In einer Übersichtsarbeit der University of Alabama fassten Forschende die Ergebnisse verschiedener Studien zusammen, in denen CBD zur Epilepsie-Behandlung eingesetzt wurde.
Die Wissenschaftler:innen kamen zum Schluss, dass Cannabidiol gut verträglich sei. Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählten Durchfall und Sedierung. Hierbei konnte allerdings festgestellt werden, dass die Sedierung wesentlich häufiger bei Patient:innen auftrat, die gleichzeitig Clobazam, ein Arzneimittel zur Behandlung von Epilepsie, einnahmen.
Bei der Einnahme von CBD traten vermehrt Erhöhungen der Aspartat-Aminotransferase und der Alanin-Aminotransferase auf, was auf eine Schädigung der Leberzellen hindeuten kann. Diese Anomalien kamen jedoch vorwiegend bei Patient:innen vor, die parallel Valproat, ein weiteres Arzneimittel zur Behandlung von Epilepsie, einnahmen.
Darüber hinaus weisen Daten darauf hin, dass es Wechselwirkungen zwischen CBD und den Medikamenten Rufinamid, Zonisamid, Topiramat und Eslicarbazepin gibt. Bei der Anwendung von CBD in Kombination mit herkömmlichen Antiepileptika kann es also vermehrt zu Wechselwirkungen kommen.
Fazit
Der aktuellen Studienlage nach zu urteilen, liegt der Schwerpunkt in der Epilepsie-Behandlung mit Cannabis ganz klar auf CBD. Hierzu wurden bereits zahlreiche Studien mit Kindern und Jugendlichen durchgeführt, die darauf hindeuten, dass sich CBD zur Behandlung von arzneimittelresistenten Epilepsie-Anfällen eignen könnte.
Die Studienlage bei erwachsenen Epilepsie-Patient:innen ist jedoch dürftig und daher aktuell nicht repräsentativ. Ebenso ist die Forschungslage zu THC und Epilepsie derzeit nicht aussagekräftig.
Es gibt Hinweise auf mögliche Wechselwirkungen zwischen CBD und herkömmlichen Antiepileptika. Sollte eine Medikation mit CBD für Dich in Betracht gezogen werden, solltest Du mit Deinem behandelnden Arzt oder Deiner behandelnden Ärztin sprechen.