Reisen mit Cannabis als Medizin – Was man wissen sollte

Immer mehr EU-Länder verabschieden Gesetze zur Verwendung von medizinischem Cannabis. Doch die Gesetzgebung ist sehr uneinheitlich, weshalb Cannabis-Patienten und -Patientinnen, die sich mit ihrer Medizin auf Reisen begeben wollen, einige Dinge beachten müssen.

Bis März 2017 war Cannabis in Deutschland immer noch eine illegale Substanz, die unter Anlage eins des Betäubungsmittelgesetzes fiel und nur mit einer „Ausnahmeerlaubnis zur Selbsttherapie mit Cannabis Flos“ erworben werden durfte. Seit der Gesetzesänderung Anfang März 2017 fällt medizinisches Cannabis unter Anlage drei und wurde dadurch ein „verkehrsfähiges Betäubungsmittel“. Deshalb sind ärztlich verordnete und in der Apotheke erworbene Medizinalhanfblüten verkehrsfähig und dürfen innerhalb des Schengenraums, zu dem auch die Schweiz als einziges Nicht-EU Mitglied gehört, mitgeführt werden.

Aus Ländern wie den Niederlanden, Italien, Tschechien oder Deutschland, wo Medizinalhanfblüten ebenso wie bei uns als verkehrsfähiges Arzneimittel gelten, können Patienten und Patientinnen ihren benötigten 30-Tage-Bedarf ins EU-Ausland mit sich führen. Hierzu müssen sie lediglich eine “Bescheinigung für das Mitführen von Betäubungsmitteln im Rahmen einer ärztlichen Behandlung - Artikel 75 des Schengener Durchführungsabkommens”, den so genannten Schengen-Schein, dabei haben. Das Dokument muss zuvor von der behandelnden Ärztin / dem behandelnden Arzt ausgestellt sowie dem zuständigen Gesundheitsamt beglaubigt werden. Deshalb empfiehlt es sich, sich bereits ein paar Wochen vor Reiseantritt um den Schengen-Schein zu kümmern. 

Das Procedere ist genau wie bei den Fertigpräparaten, wobei auch bei Blüten die Wirkstoffmenge in Milligramm angegeben werden muss. So darf ein:e Patient:in, der/die zum Beispiel drei Gramm “Lemon Sherbet” mit 22 Prozent THC am Tag verschrieben bekommt, 90 Gramm Blüten aus der Apotheke mit sich führen. Zudem muss vermerkt sein, dass die 90 Gramm bei einem THC-Gehalt von 22 Prozent genau 18,48 Gramm THC enthalten. Ansonsten gelten die gleichen Regeln wie für Fertigpräparate. Die Arznei sollte zudem im versiegelten Originalbehälter mitgeführt werden. Verschreibungspflichtige Betäubungsmittel wie Cannabis müssen immer im Handgepäck mitgeführt werden, um einen Zugriff durch Dritte auszuschließen. Auch eine Aufforderung des Bordpersonals, das Handgepäck wegen Platzmangel kurzfristig im Gepäckraum verstauen zu lassen, verstieße gegen die Sorgfaltspflicht von Patienten und Patientinnen.

EU-Recht zufolge ist es also möglich, legal Cannabisblüten in Länder wie Österreich, Belgien oder Frankreich mitzunehmen, in denen diese aufgrund der jeweiligen gesetzlichen Lage selbst als Medizin noch komplett illegal sind. Bislang sind noch keine Fälle bekannt, bei denen Patienten oder Patientinnen bei Vorweisen der entsprechenden Dokumente strafrechtliche Konsequenzen erleiden mussten.

Mit Inkrafttreten des Cannabisgesetzes ändert sich auch der betäubungsmittelrechtliche Status von medizinischen Cannabisprodukten vom Betäubungsmittel zum verschreibungspflichtigen Arzneimittel. Eine aktuelle Nachfrage beim BfarM hat ergeben, dass für die Mitnahme von Cannabis im Schengenraum jedoch weiterhin das gleiche Dokument wie zuvor benötigt wird. Denn beim kleinen und großen Grenzverkehr gilt weiterhin internationales, nicht deutsches Recht.

Medizinisches Cannabis aus der EU ausführen

Jetzt wird es komplizierter. Wer medizinisches Cannabis in ein Nicht-EU Land mitnehmen muss, kann den Export aus Deutschland mit diesem Formular beantragen, das zum Export eines 30-Tage-Bedarfs berechtigt. Parallel dazu muss sich der Patient oder die Patientin eine Import-Genehmigung des Ziellandes besorgen. Das funktioniert meist nur dann, wenn beide Länder über ein medizinisches Cannabisprogramm auf Bundesebene verfügen, da Einreiseformalitäten weltweit von Bundesbehörden kontrolliert werden. Für Jamaika oder Südafrika zum Beispiel ist das kein Problem, aber selbst Staaten mit medizinischem Cannabisgesetz erteilen nicht unbedingt eine Importgenehmigung für medizinisches Cannabis.

So erklärt das kanadische Gesundheitsministerium Health Canada auf Nachfrage, ein Import von medizinischem Cannabis für Patienten und Patientinnen könne nur in Ausnahmefällen wie zum Beispiel Palliativpatienten und -patientinnen genehmigt werden:

Es ist illegal, Cannabis in jeglicher Form, einschließlich Cannabidiol (CBD), über die kanadische Grenze zu bringen, auch wenn es für medizinische Zwecke bestimmt ist. Dies gilt sowohl bei der Einreise als auch bei der Ausreise aus dem Land. Anträge auf eine reisebezogene Ausnahmegenehmigung gemäß dem Cannabisgesetz werden individuell geprüft. Nur unter seltenen und außergewöhnlichen Umständen, z. B. in palliativen Fällen, kann Health Canada eine Ausnahmegenehmigung erteilen, damit ein Reisender Cannabis für den individuellen medizinischen Gebrauch über die internationale Grenze bringen kann.“

Kanada lässt sowohl Einheimischen als auch Besuchern keine Möglichkeit, ihre Cannabis-Therapie auf Auslandsreisen fortzusetzen. Einzig Palliativpatienten und -patientinnen haben Aussicht auf eine Ausnahmegenehmigung zum Import, müssen diese aber lange im Voraus beantragen. Während kanadische Produzenten seit Jahren Exportlizenzen erhalten, um kanadische Blüten in die ganze Welt zu verkaufen, müssen Patienten und Patientinnen auf Reisen in Kanada Cannabis zum Freizeitkonsum kaufen, sich illegal versorgen oder die Therapie abbrechen. Denn auch Cannabis-Rezepte gibt es nur für in Kanada gemeldete Personen. Das führt zu der skurrilen Situation, dass selbst legal in Kanada angebaute Blüten, die von Patienten und Patientinnen in Deutschland legal in der Apotheke erworben werden, beim Re-Import illegal werden.

Ähnlich verhält es sich mit Israel. Trotz Exports nach Deutschland stehen Patienten und Patientinnen, die nach Israel reisen wollen, wie der sprichwörtliche Ochse vor dem Berg. Israels Gesundheitsministerium, das auch über ein medizinisches Cannabisprogramm verfügt, hat sich trotz mehrmaliger schriftlicher und telefonischer Anfragen nicht geäußert und bislang auch keinerlei Informationen zu medizinischem Cannabis auf Reisen veröffentlicht.

Kanada und Israel brauchen eine Lösung für Patienten und Patientinnen

Um sich nicht vorwerfen lassen zu müssen, wirtschaftliche Interessen stünden bei den Internationalen Regelungen zu medizinischem Cannabis über den Belangen und Bedürfnissen von Cannabis-Patienten und -Patientinnen, sollten Länder wie Israel oder Kanada schnell eine rechtsverbindliche Lösung finden, die die Mitnahme legal produzierter und erworbener Medizinalhanfblüten auch über Grenzen hinweg ermöglicht.

Südafrika und Jamaika hingegen sind sehr transparent. Beiden Ländern reicht das weiter oben erwähnte Dokument sowie eine Rezeptkopie der aktuellen Verordnung. Auch lassen beide eine Registrierung von Besucher:innen als Cannabis-Patienten und -Patientinnen vor. Voraussetzung dafür ist natürlich die Vorsprache bei einer Ärztin oder einem Arzt vor Ort.

Es gibt aber auch viele Länder wie zum Beispiel die Türkei oder Ägypten, die weder den Import von Medizinalhanfblüten noch den von Cannabis basierten Fertigarzneimitteln erlauben. Um zu erfahren, welche Regeln für den Import von medizinischem Cannabis gelten, ist es außerhalb des Schengen Raums in den Fällen unbedingt notwendig, mit den zuständigen Gesundheitsbehörden vorab in Kontakt zu treten. Denn, anders als in Europa, wird der Besitz von Cannabis besonders im Nahen und Fernen Osten als schwere Straftat angesehen – mit allen Konsequenzen.

Vorsicht ist trotzdem geboten

Aber auch innerhalb des Schengenraums ist Vorsicht geboten. Das Schengen-Formular existiert lediglich in drei Sprachen (Englisch, Deutsch, Französisch). Sollten Zoll- oder Polizeibeamte den Inhalt und/oder die Beschriftung auf der Arzneimittelverpackung nicht verstehen, wird man bis zur Klärung des Sachverhalts schlimmstenfalls wegen illegalem Cannabisbesitz festgesetzt. Deshalb empfehle ich für Reisen in  Länder mit sehr strenger Cannabis-Gesetzgebung, wie zum Beispiel Griechenland oder Bulgarien, die Mitnahme einer beglaubigten Übersetzung des Mitnahme-Dokuments. Wer ganz sicher gehen möchte, lässt sich die Übersetzung noch einmal vom jeweiligen Konsulat beglaubigen.

Ein Tipp zum Schluss

Auch wenn der Import in Schengen-Länder und einige andere Staaten ohne ein Gesetz für Cannabis als Medizin legal ist, sollten sich Patienten und Patientinnen dort beim Konsum bedeckt halten. Denn weder Polizei noch die Bevölkerung kennen diese Ausnahme für Cannabis-Patienten und Patientinnen aus anderen EU-Ländern im Regelfall. Man geht erst einmal davon aus, dass es sich um Freizeitkonsum und -besitz handelt. Ohne Sprachkenntnisse und einem für Beamte fremdsprachigen Dokument in der Hand, haben Patienten und Patientinnen eine äußerst schlechte Verhandlungsbasis. Das mehrstündige Procedere zur Abklärung des legalen Status kann sehr unangenehm und zeitraubend sein. Deshalb ist es in solchen Ländern ratsam, die Medizin außerhalb der Seh- und Riechweite anderer einzunehmen.